Sind erst mal genügend Frauen an der "Basis", dann
ergibt sich der Rest in den Führungsetagen ganz von selbst. So die gängige
Argumentation von überzeugten Quotengegnern. Für manche technischen Bereiche
mag diese Schlussfolgerung verfangen, ein Blick auf das Gesundheitswesen zeigt,
dass hier durchaus kein Automatismus vorliegt. Die beträchtliche Zahl von
MedizinerINnen und die noch beträchtlichere Zahl von PflergerINnen spiegelt
sich auf den Entscheidungsebenen keineswegs wider.
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr verspricht Abhilfe mit
dem Versorgungs-strukturgesetz und bemängelt im Interview mit der Süddeutschen
Zeitung die tradierten Strukturen in Krankenhäusern, ohne allerdings konkrete
Maßnahmen zur Abhilfe zu verraten. Allein auf eine demografische Entwicklung, innere
Einsicht und die Vereinbarkeit-von-Familie-und-Beruf zu setzen scheint – gelinde gesagt – optimistisch. Ohne eine
deutlich höhere Anzahl an Oberärztinnen, Chefärztinnen und nicht zuletzt an Professorinnen
und Dekaninnen wird sich an einer Kommunikationsform, häufig einem starren
"Oben" und "Unten" geschuldet, an Arbeits-zeiten, die ein
Familienleben ohne "Backoffice" (früher die sorgende Ehefrau)
unmöglich machen, und an der m/w-Verteilung der wissenschaftlichen
Veröffentlichungen nur sehr, sehr langsam etwas ändern.
Diese Bedingungen sind oft wenig attraktiv für junge
Ärztinnen und auch Ärzte und mit dem angestrebten Lebensentwurf wenig
kompatibel. Ein Teil der Nachwuchsmediziner entscheidet sich gleich für eine
Karriere in der Wirtschaft und gegen die Versorgung. Mehr Männer als Frauen.
Ein Teil widmet sich der Forschung und ein anderer Teil geht – sobald möglich –
in den niedergelassenen Bereich. Cherchez la femme...! Auch hier sind es häufig
Ärztinnen, die eher das "platte Land" versorgen und weniger in den
lukrativen Ballungszentren zu finden sind. Möglich, dass das
Versorgungsstrukturgesetz hier etwas bewirkt; aber eine bessere Vereinbarkeit
von Familie und Beruf, wie sie die FDP anbietet, wird nicht genügen und
verortet die familiäre Verantwortlichkeit implizit wieder bei den Frauen.
Ein echter Strukturwandel, der den Namen auch verdient, kann
vor tradierten Denkmustern nicht halt machen. Junge Frauen brauchen weibliche
Vorbilder – zur Orientierung und für's Selbstvertrauen. Genau wie junge Männer
männliche Vorbilder brauchen. Es ist nicht lustig im Studium (wie mir von einer
Studentin berichtet wurde) auch scherzhaft (?) mit "Schwester"
angesprochen zu werden, während der Komilitone schon weit vor seiner Promotion auf
"Doktor" hören darf.
Diese Geschlecht und pflegerische Leistung herabsetzenden Denkschablonen
werden erst bei einer ausgeglichenen Besetzung der Führungsposten weichen. Und
dann werden – ganz selbstverständlich – auch mehr Frauen auf diese Posi-tionen
folgen.
Die liberale Haltung, jegliche Quote, sei sie gesetzlich
festgeschrieben oder flexibel, abzulehnen, heißt ein Druckmittel aus der Hand
zu geben. Eine Quote kann nicht Selbstzweck, sondern nur Vehikel sein. Erinnert
sei hier an die heftige Diskussion um die 1976 endlich eingeführte Gurtpflicht.
Darf ein liberaler, demokratischer Staat seine "mündigen Bürger" zwingen, sich hinter dem Lenkrad zu
"fesseln"? So die Kernfrage. Ohne den staatlichen und
bußgeldbewehrten Zwang würden zahlreiche Autofahrer bei Unfällen wahrscheinlich
heute noch mit dem Kopf durch die Windschutzscheibe gehen.