"Wollen wir überhaupt Frauen in der Medizin haben?" Mit dieser Frage konfrontierte die designierte Präsidentin des Weltärztinnenbundes, Prof. Dr. Dr. Bettina Pfleiderer, die Teilnehmer des 2. Bundeskongresses Gender-Gesundheit am 13. und 14. März. Der rasant steigende Frauenanteil unter der Ärzteschaft wird durchaus auch als Bedrohung gesehen. So wird paradoxerweise der wachsenden Zahl von Ärztinnen eine Mitverantwortung für den Ärztemangel zugeschrieben und (aufgrund notwendiger Umstrukturierungen) für die steigenden Kosten im System. Aha! Also die Frauen sind schuld? Auch wenn diese (schlichten) Äußerungen stark an die Vorbehalte derjenigen erinnern, die vor über 100 Jahren den Untergang der Medizin fürchteten, sollten Frauen dieses Fach studieren; machen sie andererseits klar, dass es ernst wird mit dem "Wertewandel". Altes muss überdacht und vielleicht aufgeben werden, der Untergang wird spürbar und, wie bei jeder Neuerung, das Kommende dämonisiert – bis es (irgendwann) Alltag wird. Manches Selbstverständnis und mancher Wertekanon wird nicht mehr haltbar sein. Die nicht zwingend kostspielige Vereinbarkeit-von-Familie-und-Beruf wird neue Strukturen schaffen, in der Außerberufliches einen anderen Stellenwert hat und 72-Stunden-Wochen weniger als Ritterschlag gelten, sondern eher als gesundheitlicher Leichtsinn. Christian Kraef, Präsident der Bundesvertretung der Medizin-studierenden in Deutschland (bvmd) ergänzte, dass auch die künftigen jungen Ärzte um die richtige Balance von Beruf und dem restlichen Leben bemüht sind.
Hierarchien werden durchlässiger werden – müssen.
Arbeitszeiten flexibler und bestimmte Aufgaben werden delegiert werden – müssen,
um für mehr Effizienz und Entlastung zu sorgen. Kurz: neue Modelle müssen
gedacht und ausprobiert werden; im Arbeitsalltag, aber auch bereits in der
Ausbildung. Flacherer Hierarchien fordern eine Kommunikation auf Augenhöhe und
sorgen für ein Arbeitsumfeld in dem die Dropout-Quote sinkt, auch die der
jüngeren männlichen Ärzteschaft. Ein weniger durch Hierarchiedenken geprägtes
Arbeitsumfeld, könnte auch dazu führen, dass mehr Frauen eine Chefarztposition
oder eine Professur einnehmen. Hier ist die mangelnde Vereinbarkeit weniger ausschlaggebend wie der Vergleich mit der
ehemaligen DDR zeigt; denn trotz besserer Betreu-ungssituation waren auch hier
nur wenige Ärztinnen auf höheren Positionen zu finden. Würde sich das
Verhältnis von Medizinern und Medizinerinnen, das vor 15 Jahren bereits die
Marke 50:50 erreicht hatte, annähernd in den Fakultäten der Universitäten
spiegeln, hätten wir Fragen zur geschlechtsspezifischen Behandlung von
koronaren Herzerkrankungen oder einer Depression oder auch einer angemessenen
Medikation vielleicht früher gestellt.
Flachere Hierarchien und der Mut zur Delegation könnten auch
zu einer größeren Wertschätzung und damit zur wachsenden Attraktivität des
Pflegeberufes beitragen. Im Gegensatz zum prestigeträchtigen und besser
bezahlten Arztberuf ist die Feminisierung
in der Pflege ganz selbstverständlich. Für eine ansatzweise Maskulinisierung bedarf es der
Nachbesserungen, die lange überfällig sind. Eine Männerquote könnte hier vielleicht für Beschleunigung sorgen.