Es wäre doch mal eine psychologische Studie wert – oder vielleicht gibt es sie sogar schon –, um zu untersuchen, warum junge Frauen sich freiwillig in die Situation begeben, wie auf dem Viehmarkt begutachtet und bewertet zu werden. Die neue Show "Curvy Supermodel" macht sich nicht wirklich für ein neues Bewusstsein stark, das auch Normalgewichtige oder einen etwas üppigeren Körperbau eine positive Anerkennung zugesteht; vielmehr ist es der neue Pranger an dem zu stehen, sich junge Frauen bewerben, um dann Gefahr zu laufen, vor einem Massenpublikum gedemütigt zu werden. Das war und ist so bei "Germanys next Topmodel", wo junge Mädchen und Frauen mit barschem Feedback nicht etwa gefordert oder gar gefördert werden, sondern schlimmstenfalls traumatisiert. Die Erniederung jener Frauen, die sich wahrscheinlich aufgrund ihrer Körperformen im Laufe ihres jungen Lebens ohnehin mit dem negativ konnotierten Image fülliger Formen herumschlagen müssen, finden in dieser Sendung mitnichten die ersehnte positive Bestätigung. Es geht wie in anderen Contest-Shows (die auch junge Männer betreffen) nicht um einen echten Wettbewerb, sondern um die "Jury" selbst, um Vermarktung der Show und damit um (Werbe)–Gelder. Die "Kandidatinnen" sind nur Kanonenfutter, ohne es zu merken oder es vielleicht wahr haben zu wollen.
Wie es um das Menschenbild eines Landes bestellt ist, lässt sich u.a. an den Breitenmedien ablesen, z.B. an Werbung, Fernsehserien und Shows. Verlieren Frauen ihren gesellschaftlich definierten "dekorativen Wert" kann es im deutschen Fernsehen schnell vorbei sein mit einer qualifizierten Karriere, wie eine Studie der Universität Rostock unter der Schirmherrschaft von Maria Furtwängler zeigt. 80 Prozent der non-fiktionalen Unterhaltungssendungen werden von Männern präsentiert und Frauen jenseits der 50 tauchen als Protagonistinnen im Verhältnis von einer Frau zu drei Männern auf. Es bleibt zu hoffen, dass das italienische Fernsehen in Deutschland nicht zum Vorbild wird, das Moderatorinnen ab 35 entweder nicht mehr zulässt oder zu entstellenden "Schönheitsoperationen" zwingt. Überschreiten Frauen die 50 scheinen sie zum unbekannten und unsichtbaren Wesen zu werden. In Portugal sah sich eine Frau (50) gezwungen, ihr Recht auf ein erfülltes Sexualleben mit Hilfe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu erstreiten. Nach einem missglückten operativen Eingriff wurde eine bereits zugebilligte Entschädigung von einem portugisischen Gericht mit dem Hinweis auf ihr Alter und bereits vorhandene Kinder wieder kassiert.
Gerade in Zeiten, wo eine starke Migration aus Kulturen stattfindet, die aus westlicher Perspektive ein (milde gesagt) "mittelalterliches Frauenbild" vertreten, wo z.T. Burka oder Vollverschleierung Frauen jeglichen Alters im öffentlichen Raum unsichtbar machen, sollten wir ein Auge darauf haben, welches Frauen- und damit Menschenbild in unserem Alltag tatsächlich gelebt wird. Die Erfahrung von Gewalt und Unterdrückung auf der Flucht oder im Flüchtlingsheim, durch Fremde oder den eigenen Mann hat in der gesamten Flüchtlingspolitik bislang eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Es ist daher begrüßenswert, dass jetzt Mediatorinnen ausgebildet werden und jenen Frauen an die Seite gestellt werden, die in der Hackordnung ganz unten stehen und von ihrer Würde als Mensch (noch) gar nichts wissen.
Dienstag, 22. August 2017
Editorial Kongress-Bried Gender-Gesundheit (Juni 2017)
Ob man in Zukunft von einem erfolgreichen G20-Gipfel 2017 sprechen kann oder sich eher an die Gewaltexzesse erinnert, wird die Umsetzung der Beschlüsse in der Praxis zeigen. Angesichts der aktuellen weltpolitischen Situation braucht es eine wirklich positive Einstellung, um den Blick überhaupt in die Zukunft zu richten. Vielleicht ist der Zweckoptimismus von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) gar keine so schlechte Strategie. Ein "Meilenstein zur Stärkung der Globalen Gesundheit", ist laut Gröhe dank des G20-Gipfels erreicht. Das lässt hoffen. Ziel ist es, "eine starke und ausreichend finanzierte Weltgesundheitsorganisation" aufzubauen und "eine bessere Kontrolle des Antibiotika-Einsatzes bei Mensch, Tier und in der Umwelt" zu erreichen; dazu sollen "Anstrengungen in der Forschung und (die) Entwicklung neuer Impfstoffe und Arzneimittel" für eine gesündere Weltbevölkerung sorgen.
Keine Frage! Impfstoffe und wirkungsvolle Antibiotika, die dringend gebraucht werden, um z.B. die wieder auftretende Tuberkulose in den Griff zu bekommen sind unverzichtbar. Gesundheit sollte sich aber nicht allein auf die Heilung von Krankheiten beschränken, sondern eben auf Gesundheit. Tuberkulose, durch Bakterien ausgelöst, entfaltet seine verheerende Wirkung dank schlechter bis katastrophaler Lebensverhältnisse. Enge, mangelnde Hygiene, schlechte Ernährung und schwere Arbeit sorgen für ein schwaches Immunsystem und leichte Ansteckung. Die in Romanen und Opern elegant verbrämte Krankheit kostete Mitte des 19. Jahrhunderts statistisch etwa jedem vierten Mann das Leben und gehörte während der beginnenden Industrialisierung in Europa zum Alltag vorwiegend der armen Bevölkerung.
Neben dem Appell an die Forschung könnten Überlegungen zur Verhütung von Krankheiten Signale z.B. in Richtung Wirtschafts- und Entwicklungspolitik setzen. Eine funktionierende Kanalisation trägt beträchtlich zur Volksgesundheit bei – menschenwürdige Arbeitsbedingungen auch. Bildung und die gesundheitliche Förderung von Mädchen und Frauen v.a. in Entwicklungsländern stärkt nicht nur deren Position, sondern hilft Kindersterblichkeit und die Ansteckung sexuell übertragbarer Krankheiten zu reduzieren. Allein die Vermeidung von frühen Schwangerschaften erhöht die Lebenserwartung von Frauen und die Möglichkeit, der Armut zu entkommen; denn wenn diese Mädchen ihre Ausbildung fortsetzen können und zum Einkommen der Familie beitragen, vermehrt sich auf lange Sicht auch der Wohlstand einer Gesellschaft. Mit der Verbesserung der Gesundheit der Weltbevölkerung haben wir also eine Mammutaufgabe vor uns, die sich eben nicht nur auf die Bekämpfung von Krankheiten beschränken sollte. Um so wichtiger, dass der Bundesgesundheitsminister nun verstärkt auf die Erkenntnisse aus dem Bereich Global Health setzen möchte. Eine Chance, um sich die Expertise von Fachmännern und – von Fachfrauen zunutze zu machen. Eine Chance, um aus unterschiedlichen Perspektiven weltweit auf Männer- und Frauengesundheit zu blicken.
Keine Frage! Impfstoffe und wirkungsvolle Antibiotika, die dringend gebraucht werden, um z.B. die wieder auftretende Tuberkulose in den Griff zu bekommen sind unverzichtbar. Gesundheit sollte sich aber nicht allein auf die Heilung von Krankheiten beschränken, sondern eben auf Gesundheit. Tuberkulose, durch Bakterien ausgelöst, entfaltet seine verheerende Wirkung dank schlechter bis katastrophaler Lebensverhältnisse. Enge, mangelnde Hygiene, schlechte Ernährung und schwere Arbeit sorgen für ein schwaches Immunsystem und leichte Ansteckung. Die in Romanen und Opern elegant verbrämte Krankheit kostete Mitte des 19. Jahrhunderts statistisch etwa jedem vierten Mann das Leben und gehörte während der beginnenden Industrialisierung in Europa zum Alltag vorwiegend der armen Bevölkerung.
Neben dem Appell an die Forschung könnten Überlegungen zur Verhütung von Krankheiten Signale z.B. in Richtung Wirtschafts- und Entwicklungspolitik setzen. Eine funktionierende Kanalisation trägt beträchtlich zur Volksgesundheit bei – menschenwürdige Arbeitsbedingungen auch. Bildung und die gesundheitliche Förderung von Mädchen und Frauen v.a. in Entwicklungsländern stärkt nicht nur deren Position, sondern hilft Kindersterblichkeit und die Ansteckung sexuell übertragbarer Krankheiten zu reduzieren. Allein die Vermeidung von frühen Schwangerschaften erhöht die Lebenserwartung von Frauen und die Möglichkeit, der Armut zu entkommen; denn wenn diese Mädchen ihre Ausbildung fortsetzen können und zum Einkommen der Familie beitragen, vermehrt sich auf lange Sicht auch der Wohlstand einer Gesellschaft. Mit der Verbesserung der Gesundheit der Weltbevölkerung haben wir also eine Mammutaufgabe vor uns, die sich eben nicht nur auf die Bekämpfung von Krankheiten beschränken sollte. Um so wichtiger, dass der Bundesgesundheitsminister nun verstärkt auf die Erkenntnisse aus dem Bereich Global Health setzen möchte. Eine Chance, um sich die Expertise von Fachmännern und – von Fachfrauen zunutze zu machen. Eine Chance, um aus unterschiedlichen Perspektiven weltweit auf Männer- und Frauengesundheit zu blicken.
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Editorial Kongress-Brief Gender-Gesundheit (Mai 2017)
In Notfällen ist der weibliche Kommunikationsansatz scheinbar nicht der passende. Wenn wirklich schnell gehandelt werden muss, sind Männer laut einer randomisierten Studie des Universitätsspitals Basel offenbar im Vorteil. Um nach einem Herzkreislaufstillstand wertvolle Zeit nicht zu vergeuden, sondern für die Reanimation zu nutzen, braucht es Effizienz, die sich durch schnelle Entscheidungen und durch eine rasche Umsetzung auszeichnet. Klare und eindeutige Anweisungen sind das Gebot der Stunde, ebenso wie eine eindeutige Aufgabenverteilung. Hier kann man/frau sich vorstellen, dass es durchaus auch mal ruppig zugehen kann und sich schnell ein hierarchisches Gefüge bildet. Nicht alle Beteiligten werden dann gleichberechtigt in die Diskussion um das beste Handeln einbezogen. Ein typischer Top-down-Führungsansatz, mit dem viele Männer vertrauter sein und in bestimmten Situationen besser zurecht kommen mögen als Frauen. Einer übernimmt die Verantwortung und damit auch das Risiko des Handelns.
Tatsächlich zeigt die Erfahrung vieler Führungskräfte, unterschiedlicher Branchen, dass Mitarbeiterinnen, die mit mehr Verantwortung oder einer höheren Position betraut werden sollen, diese neue Herausforderung häufig gar nicht begrüßen und sogar ablehnen. Sich qua Verantwortung zu exponieren und gelegentlich auch zu sagen wo es lang geht, fällt vielen – trotz guter Ausbildung – schwer. Zu groß scheint die Furcht, sich unbeliebt zu machen und kritisiert zu werden. Liegt es am Geschlecht, an der Erziehung (noch immer?), die schon bei kleinen Mädchen die Zaghaftigkeit fördert – oder an beidem? Wie weit dagegen ein junges Mädchen kommen kann, wenn ihr v.a. durch den Vater genügend Vertrauen und auch Hilfe entgegen gebracht wird, zeigt sich in der jungen Einhandseglerin Laura Dekker: nämlich um die Welt. Mit ihrem Segelboot hat sie im zarten Alter von 16 Einsamkeit und Stürmen getrotzt, fremde Länder "erobert" und viele Probleme an Bord selbständig gelöst.
Die Studie aus Basel ist auf jeden Fall wichtig und aufschlussreich, nur sollten nicht die falschen Schlüsse daraus gezogen werden, etwa nach dem Motto: Frauen seien im Notfall eben doch das "schwache" Geschlecht. Vielmehr sollte weiterführenden Fragen nachgegangen werden. Zum Beispiel der, wie Ärztinnen im echten Leben agieren und nicht im Studiensetting, das auch als Prüfungssituation wahrgenommen werden könnte. In kompetitiven Situationen, also auch in Prüfungen, schneiden weibliche Teilnehmer häufig schlechter ab – auch weil Selbstzweifel am eigenen Können oft im Weg stehen.
Eine andere, ältere Untersuchung hat zum Beispiel gezeigt, dass Ärztinnen Patienten, unabhängig vom Geschlecht gleich lang reanimieren, während ihre männlichen Kollegen, sich für Frauen weniger Zeit für eine Wiederbelebung nehmen.
Vielleicht kann man/frau ja voneinander lernen und nützliche Kombination aus den unterschiedlichen Kommunikationsmustern entwickeln; auch für Notfälle.
Tatsächlich zeigt die Erfahrung vieler Führungskräfte, unterschiedlicher Branchen, dass Mitarbeiterinnen, die mit mehr Verantwortung oder einer höheren Position betraut werden sollen, diese neue Herausforderung häufig gar nicht begrüßen und sogar ablehnen. Sich qua Verantwortung zu exponieren und gelegentlich auch zu sagen wo es lang geht, fällt vielen – trotz guter Ausbildung – schwer. Zu groß scheint die Furcht, sich unbeliebt zu machen und kritisiert zu werden. Liegt es am Geschlecht, an der Erziehung (noch immer?), die schon bei kleinen Mädchen die Zaghaftigkeit fördert – oder an beidem? Wie weit dagegen ein junges Mädchen kommen kann, wenn ihr v.a. durch den Vater genügend Vertrauen und auch Hilfe entgegen gebracht wird, zeigt sich in der jungen Einhandseglerin Laura Dekker: nämlich um die Welt. Mit ihrem Segelboot hat sie im zarten Alter von 16 Einsamkeit und Stürmen getrotzt, fremde Länder "erobert" und viele Probleme an Bord selbständig gelöst.
Die Studie aus Basel ist auf jeden Fall wichtig und aufschlussreich, nur sollten nicht die falschen Schlüsse daraus gezogen werden, etwa nach dem Motto: Frauen seien im Notfall eben doch das "schwache" Geschlecht. Vielmehr sollte weiterführenden Fragen nachgegangen werden. Zum Beispiel der, wie Ärztinnen im echten Leben agieren und nicht im Studiensetting, das auch als Prüfungssituation wahrgenommen werden könnte. In kompetitiven Situationen, also auch in Prüfungen, schneiden weibliche Teilnehmer häufig schlechter ab – auch weil Selbstzweifel am eigenen Können oft im Weg stehen.
Eine andere, ältere Untersuchung hat zum Beispiel gezeigt, dass Ärztinnen Patienten, unabhängig vom Geschlecht gleich lang reanimieren, während ihre männlichen Kollegen, sich für Frauen weniger Zeit für eine Wiederbelebung nehmen.
Vielleicht kann man/frau ja voneinander lernen und nützliche Kombination aus den unterschiedlichen Kommunikationsmustern entwickeln; auch für Notfälle.
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