Diabetes mellitus Typ 2 wird die Gesundheitspolitik und
die große Koalition in diesem Jahr beschäftigen und vermutlich nicht nur in
diesem Jahr. Die Zahlen der aktuellen Erkrankungen und der neu hinzukommenden zeugen
von epidemischem Ausmaß: von z.Z. 6.000.000 an Diabetes Erkrankten, leiden ca.
5.700.000 am Typ 2 Diabetes, also rund 7 Prozent der Gesamtbevölkerung
Deutschlands. Tendenz steigend, bei jährlich 270.000 und täglich 750
Neuerkrankungen. Mit einem "Nationalen Diabetesplan" will man sich nun
der Entwicklung entgegenstemmen.
Aufklärung und Schulungen sollen bei den Patientinnen
und Patienten ansetzen. Prävention, Grundlagenforschung und Datenbanken sind
die gefragten Mittel. Hier wäre ein geschlechtsspezifischer(er) Ansatz
wünschenswert, um möglichst gezielt auf die Betreffenden einzugehen und damit
die Behandlung – besser noch die präventiven Maßnahmen – möglicherweise
effizienter zu gestalten. Noch sind die Formulierungen etwas allgemein.
Eine stärkere Berücksichtigung der biologischen Aspekte
und des sozialen Umfelds könnte für Verbesserungen bei Diagnose und Behandlung
der Krankheit führen. Beispiel: Ein niedriger Testosteronspiegel kann bei
übergewichtigen Männern für eine Insulinresistenz sorgen; ein erhöhter
Androgenspiegel dagegen bei Frauen zu einem erhöhten Diabetesrisiko führen. Die
Gefahr an einem Schlaganfall zu versterben, ist bei Diabetikerinnen um das 3
bis 7 fache höher als bei ihren männlichen Leidensgenossen. Das komplexe Wechselspiel
zwischen Hormonen und blutzuchersenkenden Medikamenten wird an der Universtität
Wien derzeit noch erforscht.
Diabetikerinnen erfahren ihre Diagnose häufig erst nach
der Menopause, also deutlich später als Diabetiker. In der Folge fühlen sich
diese Frauen oft allein gelassen und können zudem an einer Depression
erkranken. Der bewusste Umgang mit der Krankheit fordert viel von den Betroffenen
– und hier spielt der psychosoziale Hintergrund durchaus eine Rolle; denn um
eine Lebensumstellung umzusetzen, braucht es Aufklärung und eine nicht geringe
Kompetenz die Informationen in den Alltag zu integrieren. Erkrankten Frauen
fehlt häufig ein Berufsabschluss, während Männer größtenteils über eine
qualifizierte Berufsausbildung verfügen. Frauen arbeiten – wie sonst auch – meist in Teilzeit,
versorgen Familie, Haushalt und ggf. zu pflegende Angehörige. Doppelbelastung
und überwiegend traditionelle Lebensumstände machen eine Ernährugsumstellung
nicht leicht und lassen die empfohlene sportliche Betätigung in den Hintergrund
treten. Männer gilt es dagegen für präventive Maßnahmen zu gewinnen und das ist
– nicht nur im Bereich Diabetes – eine eigene Herausforderung.
Der vermeintlich weiche Faktor "Kommunikation"
scheint für eine erfolgreiche Behandlung der Volkskrankheit nicht unerheblich.
Eine bereits 2008 in Kanada durchgeführte Untersuchung zeigt, dass auch das
Geschlecht der behandelnden Ärzte Einfluss auf den Behandlungserfolg haben. Hier
waren Ärztinnen insgesamt erfolgreicher. (http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18397244)