Montag, 12. Dezember 2016

Editorial Kongress-Brief Gender-Gesundheit (November 2016)

Grandios gescheitert? Die groß angelegte, nein, die sehr groß angelegte PREFERE-Studie wird nun nach drei Jahren abgebrochen. 23.000.000 € wurden hierfür zusammengetragen und 7.600 Patienten waren für die Teilnahme geplant – bis 2030 sollten die Ergebnisse der randomisierten Studie zu Therapien bei Prostatakrebs vorliegen. Bislang haben sich 343 Patienten daran beteiligt und einige der Fragestellungen sind inzwischen durch andere Studien beantwortet worden. Das Studiendesign, durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) abgesegnet, sorgte bereits für massive Kritik; denn hier steht weniger der "Patient im Mittelpunkt", sondern eine Wissenschaftlichkeit, die zwar belastbare Daten hätte liefern können, aber eben diesen Patienten wohl nur unzureichend in den Fokus genommen hat.

Der Objektivierung von Untersuchungsergebnissen sind Grenzen gesetzt, wenn es um Menschen geht, die sich mit der Diagnose Krebs konfrontiert sehen. In dieser Situation bereit zu sein, sich einer Therapie zu unterziehen, die mehr oder weniger durch den Zufallsgenerator bestimmt wird – dazu gehört Mut. Nicht nur der Betroffenen selbst, sondern auch ihrer Angehörigen, die eine solche Erkrankung mittragen (müssen) und sollte es zum Schlimmsten kommen, u.U. mit dem Zweifel leben müssen, dass die "zufällige" Wahl die falsche war.

Um diesen Zufall einzuschränken, konnten die Teilnehmer unter vier möglichen Behandlungsmethoden bestimmte Therapieformen  "abwählen". Da sich die Studie laut Webseite hauptsächlich an Erkrankte im Frühstadium wendete, sollte es eigentlich nicht überraschen, dass diese Gruppe, Standardtherapien wie Operation oder eine Strahlentherapie für sich zunächst ausschließt. Im Frühstadium möchte man(n) individuell vielleicht noch gar nichts von diesen (gefürchteten) Be-handlungsmethoden wissen und bevorzugt, erst einmal abzuwarten und damit die Active Surveillance  oder eine niederschwellige Therapie wie eine permanente, lokal eingesetzte Seed Implantation. Entgegen der Überraschung seitens Jürgen Fritze vom Verband der Privaten Krankenversicherung hätte diese Wahl mit umfassendem Blick auf das Patientenwohl vielleicht doch antizipiert werden können.

Jürgen Fritze bedauert auch: „Den Patienten konnte anscheinend nicht ausreichend vermittelt werden, dass die Frage der besten Therapie wissenschaft-lich unbeantwortet ist, dass also die Empfehlung der einen gegenüber der anderen Therapie unfundiert ist. Denn anderenfalls wären die Patienten der Logik gefolgt, dass die Randomisierung jedenfalls keinen Nachteil bedeutet, aber Erkenntnis-gewinn."  (http://www.prefere.de)

Ob es sich hier lediglich um ein Kommunikationsproblem handelt oder um die irrige Annahme, dass sich gegenwärtige Prostatakrebs-Patienten mit ihrem persönlichen Schicksal in so großer Zahl zugunsten einer fundierten Wissenschaftlichkeit zur Verfügung stellen würden, bedarf einer detaillierten Analyse. In dieser Größen-ordnung, mit dem Anspruch, möglichst viele Daten zu erheben, eignet das Studiendesign – überspitzt gesagt – eher für Mäusepopulationen. Aber hier klafft sie wieder, die Lücke, die sich (gelegentlich) zwischen datengestützter, evidenz-basierter Medizin und individuellem Behandlungsbedarf auftut.

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